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Computerviren zum AnfassenMit
wenigen Mausklicks auf Dateien wie „bad boy“ oder „suicide“
wird der PC im Museum für Angewandte Kunst zum finalen Crash
gebracht. Solche Erfahrungen sind Teil der jetzt in
Frankfurt am Main eröffneten Ausstellung „I love you.
Computer. Viren. Hacker. Kultur“, die zu einer Gratwanderung
in den digitalen Untergrund einlädt.
„Der
Computervirus ist eine Ikone des digitalen Alltags, die uns
alle schreckt“, sagte Ausstellungsleiterin Franziska Nori
beim Eröffnungsrundgang. „Hier könnt ihr mit Computerviren
spielen!“ Die wissenschaftliche Leiterin der Abteilung
digitalcraft am mak.frankfurt, wie sich das Museum kurz
nennt, will die Besucher aber nicht zu „bad guys“
heranziehen, sondern vielmehr den Mythos entzaubern, der
Themen wie Computerviren und die Hacker-Kultur umgibt. „Wir
wollen zeigen, dass Menschen dahinter stehen“.
Das
sind Menschen wie der in Italien geborene und jetzt in Wien
lebende „Cyberfunker“ Jaromil, dessen Virus offenbar so
gefährlich ist, dass sein Code selbstironisch nur hinter
Glas gezeigt wird. Das aus nur einer Zeile bestehende
Programm startet auf einem Unix-Rechner eine Endlosschleife,
die das System in die Knie zwingt. Jaromil alias Denis Roio
betrachtet Viren als einen „rebellischen politischen Akt“
gegen diejenigen, „die das Netz zu einem virtuellen
Marktplatz machen wollen“.
Die Gegenposition vertritt
die ebenfalls an der Ausstellung beteiligte Softwarefirma
Symantec. „Wir betrachten das Schreiben von Viren als
ethisch verwerflich“, sagte der Leiter des europäischen
Virenforschungszentrums von Symantec, Eric Chien. „Wir
wollen den Virenentwicklern immer einen Schritt voraus sein.
Aber wir befinden uns in einer Art Wettrüsten. Die
Virenprogrammierer versuchen immer wieder, unsere neuesten
technischen Entwicklungen auszutricksen.“
Besonders
bedrohlich hält Chien Schädlinge wie „Code Red“, die ganze
Computernetze attackieren und von Symantec als neue
Generation von „Viren mit komplexer Bedrohung“ bezeichnet
werden. Zwischen diesen Positionen sucht die
Kunsttheoretikerin Nori
nach Antworten auf die Frage: „Wer sind diese Hacker, die
entweder glorifiziert oder dämonisiert werden?“ Dazu spannt
die Schau den Bogen zur digitalen Kunst und zeigt unter
anderem Projekte der experimentellen Poesie, deren Verse die
Zeilen eines Software-Quellcodes bilden. Beim
Flugzeugsimulator von Carl Banks bilden Form und Inhalt eine
vollendete Einheit: Der nur 1536 Bytes große Quellcode ist
so dargestellt, dass die Zeilen den Umriss eines Flugzeugs
abbilden. Wird das Linux-Programm kompiliert, also in die
Maschinensprache des Computers übersetzt, wird damit der
Flug einer „Piper Cherokee“ simuliert.
Ist solcher
Quellcode jetzt Literatur oder Software? Die bis zum 13.
Juni geöffnete Ausstellung lässt nicht nur diese Frage
offen. Von den Antworten der Besucher wird es abhängen, wie
der digitale Alltag in zehn Jahren aussieht. Peter Zschunke,
AP
Mehr zum Thema:
http://www.mak.frankfurt.de/
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