P2P Legale Strategien


Luigi Mansani - University of Parma




Einleitung

Den juristischen Entscheidungen, die zu Peer-to-Peer-Systemen gefällt wurden, kann man einige nützliche Hinweise auf Verhaltensweisen und technische Vorsichtsmaßnahmen entnehmen, um das Risiko rechtlicher Schritte gegenüber Personen zu reduzieren, die solche Systeme schaffen oder sich ihrer bedienen. Obwohl die bekanntesten und umstrittensten Entscheidungen von Rechtsorganen der USA getroffen wurden, ähneln doch die ihnen zu Grunde liegenden Prinzipien denen, die im Großteil der Industriestaaten bei solchen Streitfällen angewandt werden könnten, und dies besonders bei Mitgliedern der Berner Konvention und der WTO.
Nationale Gesetze, die (auch die telematische) Reproduktion und Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke regeln, sind in den letzten Jahren zunehmend in Angriff genommen worden, vor allem seitens supranationaler Institutionen und in internationalen diplomatischen Konferenzen. Zwischen diesen Gesetzgebungen bestehen jedoch erhebliche Unterschiede, sowohl auf substanzieller Ebene als auch bezüglich der Strafen, die jedoch in dem hier behandelten Bereich weniger ins Gewicht fallen. All diese Gesetzgebungen enthalten Normen, die die nicht autorisierte Reproduktion von durch das Copyright geschützten, auch in digitaler Form vorliegenden Werken verbieten. Ebenfalls verboten ist die nicht autorisierte Verbreitung solcher Werke in telematischen Systemen. Andererseits ist aber auch ein System von Ausnahmen vorgesehen, das prinzipiell verbotene Verhaltensweisen dann gestattet, wenn Rechtfertigungsgründe vorliegen, die sich zwar voneinander durchaus unterscheiden können; gemeinsam ist ihnen jedoch die Annahme einer nicht profitorientierten Zielsetzung.

Die Subjekte

In der Praxis ist es äußerst unwahrscheinlich, dass private Nutzer eines Peer-to-Peer -Systems wegen Verletzung des Copyright vor Gericht gebracht werden, und das aus verschiedenen Gründen: (a) wegen der Schwierigkeit, die vermutete Verletzung zu beweisen; (b) wegen der Schwierigkeit und der Kosten des Anstrengens eines Rechtsverfahrens dem Nutzer gegenüber, v.a. wenn dieser in einem anderen Land lebt als das Subjekt, das Klage erhebt; (c) wegen der Problematik, einen Schadensersatz zu erhalten und der substanziellen Ineffizienz von Verboten einer Fortsetzung des nicht legalen Verhaltens, die schwer durchzusetzen und kaum zu überwachen sind; (d) aus politisch-kommerziell opportunen Beweggründen, die es nicht ratsam erscheinen lassen, sich mit Privatbürgern anzulegen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Position dieser Subjekte völlig irrelevant ist. Wie tatsächlich aus allen diesbezüglichen Entscheidungen klar hervorgeht, kann der Inhaber eines Peer-to-Peer -Systems nur für "contributory infringement" belangt werden. (Dies gilt jedoch nur, wenn er nicht Usern direkt von ihm eigenständig ohne die Autorisierung des Rechtsinhabers reproduzierte Werke zur Verfügung gestellt hat, was ihn der direkten Fälschung überführen würde). Er hat also Verletzungen des ihm bekannten Copyright begünstigt bzw. nicht im Rahmen seiner Möglichkeiten verhindert. Wenn das Verhalten der User also nicht illegal ist, kann es das des Systemleiters auch nicht sein.

"Fair Use"

Wenn Reproduktion und Verbreitung von Copyright-geschützten Werken seitens der Nutzer eines Peer-to-Peer-Systems prinzipiell illegal sind, da sie die Exklusivrechte der Rechtsinhaber der Werke verletzen, ist dies jedoch dann nicht mehr der Fall, wo sie sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen können. Solche Rechtfertigungsgründe werden in den Systemen des Common Law als "Fair Use" und in europäischen Systemen als "freie Nutzung" eingeordnet. Der Inhalt ist ähnlich: grob gesagt gestatten sie ansonsten verbotene Aktivitäten, wenn diese ohne kommerzielle Zielsetzungen erfolgen. Europäische Rechtssysteme untersuchen Wesen und Zweck von Handlungen, um einen etwaigen kommerziellen Charakter auszuschließen bzw. aufzudecken. Gesetze enthalten häufig exemplifizierende Indikationen einer Non Profit- Aktivität (zum Beispiel solche mit einem pädagogischen Ziel, Bibliotheken und Archive, Forschungsinstitute oder zum Zwecke des Zitierens ausgeführte Handlungen). Jedes Mal, wenn die Reproduktion bzw. Übertragung vergütet wird, handelt es sich um einen kommerziellen Akt. Nur in wenigen Systemen wird explizit festgelegt, dass eine Kopie oder die private Weiterverbreitung zulässig sind. Wenn eine private Kopie zulässig ist bzw. das Gesetz lediglich Verbreitung und Reproduktion zur Gewinnerzielung verbietet, ist der Gebrauch eines Peer-to-Peer-Systems keine Verletzung des Copyright. Gibt es keine so klaren Regelungen (also in fast allen Fällen), behaupten die Rechtsinhaber, dass die kommerzielle Absicht aus der Einsparung der Kosten des Kaufs eines Originalguts abgeleitet werden könne, die dem User zu gute kommt. Obwohl diese These unlogisch ist (wenn das entscheidende Moment das Sparen von Kosten ist, würde keinerlei freie Nutzung mehr existieren: jeder, der in einer Bibliothek ein Buch ausleiht, spart sich die Kosten des Buchkaufs), ist sie (von der Entscheidung im Napster-Fall angefangen) benutzt worden, um die Regel des fair use auf die Nutzer des Systems Peer-to-Peer nicht anwenden zu müssen. Auch das letzte Argument (auf das US-amerikanische Richter häufig zurückgegriffen haben), demzufolge es in Peer-to-Peer-Systemen keine persönliche Nutzung geben kann, weil der übertragene File an User verteilt wird, die ihn nachfragen, ist nicht unbedingt relevant: wenn ich einem Freund eine Platte gebe, bleibt mein Verhalten legal, auch wenn er sie an jemanden weitergibt, der sie von ihm verlangt. Man bekommt den Eindruck, als würden bereits existierende Regeln auf instrumentelle und unlogische Art (vor allem in den USA; in vielen europäischen Staaten wären diese Auslegungen nicht möglich) interpretiert. Man kann also offensichtlich nicht viel mehr tun, als die herrschenden Regeln zu beachten. Es gilt aber bei der Führung eines P2P-Systems, die justiziabel ist, die größtmögliche Vorsicht walten zu lassen. Leiter von Peer-to-Peer-Systemen fügen in ihre sites für gewöhnlich disclaimers ein, die User davor warnen, das Copyright zu verletzen. Diese Umsicht kann ihn in manchen Fällen zwar nicht von der Verantwortung entheben, sie jedoch einschränken und dem Gegner Argumente entziehen. Solchen disclaimers könnte man weitere hinzufügen, um auf die gegenseitige, assoziative und nichtkommerzielle Absicht der Usergemeinschaft hinzuweisen. Sie könnten das absolute Verbot anzeigen, das System für kommerzielle Transaktionen oder Werbeaktionen jedweder Art zu nutzen und betonen, dass man mit der Nutzung des Systems dessen ideale Zielvorstellungen akzeptiert: das Teilen von Wissen und die Beförderung der Kultur durch Kommunikation. Man könnte die gegenseitige Absicht unterstreichen und den Geist der Gemeinschaftlichkeit, auf dem jeder Gebrauch des Systems beruhen muss. Wie jedoch weiter unten zu sehen sein wird, liegt die beruhigendste Lösung nicht in dem Versuch, die Verantwortung des Leitenden von ihm zu weisen oder zu minimieren. Wo es kein Subjekt gibt, kann niemand, auch nicht indirekt, die Verantwortung für die Leitung des Peer-to-Peer-Systems übernehmen.

Das Erschöpfungsprinzip

Es soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass sich in den Ländern der Europäischen Union die Rechte geistigen Eigentums erschöpfen, wenn das Produkt einmal in den Handel gekommen ist: ein Rechtsinhaber kann nicht in den Umlauf des Gegenstands eingreifen, das sein Recht verkörpert, nachdem es verkauft worden ist. Mit anderen Worten entziehen sich einem Musikhaus, das eine Platte, einem Verleger, der ein Buch oder einem Unternehmen, das ein Markenprodukt verkauft hat, alle weiteren Verkäufe. Die Güter können also in die verschiedenen Verteilungskanäle eingespeist oder verschenkt werden, ohne dass der Inhaber der Marke, des Copyright oder eines anderen geistigen Eigentumsrechts es verbieten könnte. Zu den Voraussetzungen dieser Regel gehören zwar das Prinzip, dass der Inhaber schon den Profit aus dem Verkauf seines Guts erhalten haben muss und das Prinzip des freien Warenumlaufs im europäischen Wirtschaftsraum. Es gibt jedoch zusätzliche Regeln, die besagen, dass dieses sich nicht auf die Zirkulation von Werken in digitaler Form bezieht, sondern lediglich auf materielle Datenträger. Ich kann also auch, sogar gegen Entgelt, die im Markt erworbene CD abgeben, aber nicht, noch nicht einmal gratis, einen File der in ihr enthaltenen Musik. Dazu bräuchte ich das Einverständnis des Rechtsinhabers. Die Verzerrung ist offensichtlich- auch in diesen Fällen hat ja der Rechtsinhaber bereits seinen Profit erhalten, und das Prinzip des freien Warenumlaufs kann angewandt werden. Die Verdrehung hängt nur an dem Willen, die Interessen der Rechtsinhaber gegenüber den wachsenden Möglichkeiten der Technologie zu schützen; die Verbreitung von digitalen Werken ist jedem zu verschwindend geringen Kosten möglich, während die Zirkulation des Produkts selbst auf physische Grenzen trifft, die seine maximale Verbreitung festlegen. Aus denselben Gründen ist in einigen Regelungen das Verleihen von Musik-CDs verboten, nicht jedoch das von Videokassetten oder Büchern. So wird ein Unterschied gemacht zwischen analoger und digitaler Kopie, die keinerlei juristisch erkennbaren Existenzgrund hat.

Keine Systemleitung, kein Verantwortlicher

In Entscheidungen bezüglich der Zulässigkeit von Peer-to-Peer-Systemen sind ihre Leiter der indirekten Fälschung für schuldig befunden worden, wenn es sich (a) zwar nicht um Non Profit- Unternehmen, aber um Kapitalgesellschaften handelt, die, obwohl sie ein kostenloses Herunterladen von Software anboten und keinen direkten Profit aus der Zirkulation der Files unter den Usern zogen, ihren Wert auf dem Kapitalmarkt durch die Zahl der Kontakte und den Bekanntheitsgrad ihrer Marke erhöhten - sie haben also ein direktes Interesse an der Verbreitung des als unzulässig angesehenen Verhaltens; (b) sie auf ihren Sites Software zugänglich gemacht haben, die in einigen Fällen zur Verletzung der Eigentumsrechte benutzt wurde; (c) sie ein integriertes System benutzt haben (Site, Software, Suchmaschine, Server, Verbindungsinstrumente), auf das User zugreifen mussten, um Dateien zu laden, anders als etwa der Hersteller eines Videorecorders oder anderer Instrumente, mit denen man Copyrights verletzen kann, der nach dem Verkauf keine Möglichkeit hat, die Nutzung des Apparats zu kontrollieren und auch überhaupt nicht zur Art der Nutzung beiträgt. Außerdem saßen die Führungsgesellschaften in den USA oder anderen Mitgliederstaaten der Pariser Konventionen zum Schutz Geistigen Eigentums. Auch die Geräte, die zum Funktionieren des Systems gebraucht wurden, befanden sich zumindest teilweise in diesen Ländern.
Vermeidet man diese Situationen, gestaltet es sich erheblich schwieriger, das Peer-to-Peer-System rechtlich anzugreifen. Die optimale Hypothese wäre also eine open source-Software, deren verschiedene Versionen auf verschiedenen voneinander unabhängigen Sites zugänglich sein müssten (begleitet von Rechtsklauseln, die zur rechtsmäßigen Nutzung der herunterzuladenden Software aufrufen, die legalen Funktionen, die sie ausführen kann, aufführen und jegliche Verantwortung für die Nichtbeachtung der aufgeführten Bedingungen von sich weisen). Es dürfte keine leitende Gesellschaft des Systems geben, keinen Sitz, der Verbreitung und Nutzung erleichtert, oder - im perfekten Fall - noch nicht einmal mehrere Server und Verbindungen, die als System auszumachen sind. Da solch ein Szenario nur für Peer-to-Peer-Verbindungen unter vielen Usern vorstellbar ist, kann in anderen Fällen eine Reduzierung des Rechtsrisikos erfolgen durch: (a) den Gebrauch einer open source-Software, deren Entwickler keine ökonomischen Verbindungen mit den Leitern der Peer-to-Peer-Systems haben; (b) den Gebrauch von Peer-to-Peer-Systemen, die eine direkte Verbindung der User ohne einen zentralen Server ermöglichen; (c) Verzicht auf die Einrichtung einer Website, die den Gebrauch des Systems erleichtern würde oder die sich offensichtlich in Zusammenhang mit der Software oder dem System bringen ließe, etwa durch den Domain-Namen oder ähnliches. Muss ein juristisches Subjekt geschaffen sein, dem man eine dieser Handlungen zur Last legen soll, wäre es sinnvoll, wenn es sich um ein No-Profit-Unternehmen handelte, das gemeinnützige oder pädagogische Ziele verfolgt und seinen Mitgliedern in keinem Fall Gewinn bringen darf. Ein bescheidenes Unternehmensvermögen, der Gebrauch unternehmensfremder Geräte und eventuell sogar ein Firmensitz in einem Land, das keine Konventionen zum geistigen Eigentum unterzeichnet hat oder in dem es zumindest teuer und kompliziert wäre, gerichtlich vorzugehen, könnten letztlich auch dazu beitragen, dass von rechtlichen Maßnahmen abgesehen wird...



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